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Thaler A. Die altspanische Liturgie.

Die altspanische Liturgie

Eine Einfuhrung von Anton Thaler

Der Name «mozarabische» Liturgie ist am meisten gebräuchlich, aber nicht zutreffend. «Mozarabische Liturgie» wird sie oft genannt, weil nach dem Einfall der Araber in Spanien (711) die christliche Liturgie auch weiterhin «moz Arabes», unter der Herrschaft der Araber, gefeiert werden durfte. «Westgotische Liturgie» wird sie auch genannt, weil sie zur Zeit der Westgotenherrschaft (vor der Bekehrung der arianischen Westgoten zur Katholischen Kirche um 589) schon gefeiert wurde. Weil aber die Liturgie schon in der Zeit des 4./5. Jahrhunderts in Spanien verbreitet war und im 7. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte, nennt man sie richtigerweise altspanische Liturgie.

Die Mozaraber waren dennoch in einer gedrückten Lage. Dazu kam die Verdächtigung, ihre Liturgie sei von der Häresie des Adoptianismus (einer falschen Lehre über die Sohnschaft Christi) durchsetzt, welche jedoch zurückgewiesen wurde (Synode von Frankfurt 794). Dennoch führte es infolge Vereinheitlichung des römischen Ritus durch Gregor VII. (1074) zum Verbot dieser Liturgie. Der mozarabische Ritus hielt sich dann noch in einigen Städten und Klöstern, ging dann immer mehr zurück und wäre ganz verschwunden, wenn Kardinal Franziskus Ximenes von Toledo (1495­1517) ihn nicht erneuert hätte. Er richtete eine «mozarabische Kapelle» ein, die alte Kapelle «Corpus Christi» in der Kathedrale von Toledo, und sah vor, dass täglich Stundengebet und Konventmesse in ihr gefeiert werden. Bis heute wird sie in dieser Kapelle sowie in Salamanca, bei den Mönchen von Montserrat und der Abtei Santo Domingo de Silos sowie von Priestern mit Spezialerlaubnis zelebriert. Kardinal Ximenes vertraute dem Kanoniker Alfons Ortiz die Vorbereitung einer gedruckten Edition des Missale und des Breviers an.<1> Diese Editionen bildeten die Grundlage für die spätere Überlieferung, die durch mehrere Werke bereichert wurde.<2> Nach dem Vatikanum II wurde diese alte Liturgie 1991 durch die Herausgabe des «Missale Hispano-Mozarabicum» (durch die spanische Bischofskonferenz und den Erzbischof von Toledo) als eine der römischen Liturgie gleichwertige und ehrwürdige (vgl. SC 4) bestätigt.

Ihre Eigenart

Wie unterscheidet sich diese Liturgie von der römischen? Die Unterschiede liegen vor allem im Ordo Missae<3> , wo den «Intercessiones Sollemnes» nach der Bereitung der Opfergaben eine grosse Bedeutung zukommt, wo der Friedensgruss unmittelbar vor dem Hochgebet erfolgt, wo der Kommunionteil mit dem Glaubensbekenntnis eingeleitet und der Segen vor der Kommunionausteilung gespendet wird. Der altspanische Ritus verfügt auch über eine Fülle von Orationen, Illationen (Präfationen) und Hochgebeten, wobei jeder Sonn- und Festtag sowie jedes Fest des Herrn oder der Heiligen ein eigenes Formular besitzt.

Ihr Gebetsschatz

Die altspanische Liturgie weist manche römische, mailändische, altgallische und orientalische Einflüsse auf. Dennoch hat sie nie «ihren rein südlichen und ihren ganz spanischen Typ verloren»<4>. Dies zeigt sich besonders in der Sprache der liturgischen Gebete. Sie ist anschaulich und verwendet Bilder aus dem Leben der damaligen Zeit. Die Gebete zeichnen sich ferner durch einen reichen biblischen Gehalt aus.

Die Liturgie ist auch voll von Allusionen auf geschichtliche Ereignisse. Ein Mosaik der liturgischen Texte ist hervorgebracht worden durch Verwendung zahlreicher Quellen: Reden, Märtyrerakten, Heiligenlegenden und theologische Traktate.

Die anschauliche und gefühlsbetonte Sprache, deren Wirkung durch einen schlichten und doch feierlichen Gesang noch gesteigert wurde, verlieh den Gebeten einen volkstümlichen Charakter. In leicht fasslicher Art konnten den Gläubigen die Glaubensinhalte vermittelt werden. Nicht umsonst nennt das «Antiphonarium mozarabicum» der Kathedrale von Leon diese Liturgie «splendida doctrina», eine strahlende Lehre, «die unmerklich das Leben und die sittliche Haltung des Volkes durchdringt»<5>. Die Liturgie konnte so den Christen helfen, dem Glauben in der Gemeinschaft der Glaubenden treu zu bleiben, muss es doch ­ wie viele Gebete durchblicken lassen ­ in den Wirren des Arianismus und den damit verbundenen Glaubenskämpfen schwer gewesen sein, am wahren Glauben festzuhalten.

Die Verfasser der Gebete

Der Gebetsschatz der Kirche ist etwas Objektives, eben Gebet der Kirche und nicht einzelner Menschen. Die Autorschaft vieler Gebete ist uns darum unbekannt. Wir wissen nur, dass mehrere Autoren zu verschiedenen Zeiten am Bau der altspanischen Liturgie gearbeitet haben. Aus der Frühzeit der Liturgie ist uns nichts bekannt. Erst aus dem 4./5. Jahrhundert wissen wir um Prudentius (geb. 348) im Norden von Spanien. Er war christlicher Poet und Hymnendichter. Aus der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts ist uns Erzbischof Leander von Sevilla (540­-600) bekannt. Er ist wahrscheinlich der Autor bzw. Bearbeiter des ganzen «Liber Orationum Psalmographus». Herausragend ist Isidor von Sevilla, dortiger Erzbischof von 600-­636. Mit seinem Werk «De officiis ecclesiasticis» und seinen von ihm inspirierten Canones des 4. Konzils von Toledo hat Isidor entscheidend dazu beigetragen, der altspanischen Liturgie die definitive Form zu geben, hat aber nicht so sehr eigene Texte verfasst. Das Konzil stand unter seiner Leitung, und seinem Einfluss ist es zu verdanken, dass die Einheit des altspanischen Ritus in der ganzen spanischen Kirche geregelt und erreicht wurde. Von grosser Bedeutung war auch der hl. Ildefons, Erzbischof von Toledo, der in der Blütezeit der westgotischen Kirche lebte. Er starb in Toledo am 23. Januar 667 und ist der Schutzheilige der Stadt. Sein Anteil an der Ausbildung der altspanischen Liturgie ist erheblich.<6> Schliesslich können auch Julianus, Erzbischof von Toledo (gest. 652), auch einige Messen, darunter eine für Verstorbene, und Gebete für das Offizium an Sonn- und Festtagen zugeschrieben werden.

Anmerkungen

1 A. Ortiz (ed.), Missale Mixtum secundum regulam beati Isidori, Toledo 1500 (Migne, PL 85); ders., Breviarium secundum regulam beati Isidori, Toledo 1502.

2 M. Férotin (ed.), Liber Mozarabicus Sacramentorum, (Monumenta Ecclesiae liturgica VI), Paris 1912: Messformulare für das ganze Jahr (Abkürzung LMS); J. Janini (ed.), Liber Missarum de Toledo y Libros Misticos I/II, Instituto de estudios visigotico-mozarabes, Toledo 1982/­1983: Diese neue Quellenausgabe umfasst die Messbücher von Toledo und die damals gebräuchlichen «libri mistici» (eine Mischung des Breviers und des Vollmissale) in der mozarabischen Epoche (Abkürzung LM); J. Vives, Orational Visigotico (ed.), (Monumenta Hispaniae sacra, series lit. I), Barcelona-Madrid 1946: enthält Orationen des sonn- und festtäglichen Chorgebetes (Abkürzung OV); J. Pinell, Liber Orationum Psalmographus, (Monumenta Hispaniae sacra, series lit. IX), Barcelona-Madrid 1972: ist auch für das Chorgebet in der Kathedrale bestimmt gewesen, wurde aber nur an Werktagen verwendet (Abkürzung: LPs); Missale Hispano-Mozarabicum, (ed. Conferencia Episcopal Española et Arzopisbado de Toledo), 2 Bde., Toledo 1991/1994: Band I enthält die Messformulare für alle Sonn- und Festtage; Band II die Messformulare für die Feste und Gedenktage der Heiligen sowie Votivmessen und die Wochentage (Abkürzung MMoz) und dazu entsprechend das Lektionar: Liber Commicus, (ed. Conferencia Episcopal Española et Arzopisbado de Toledo), 2 Bde., Toledo 1991/1995.

3 Vgl. A. Thaler, Das Hochgebet der altspanischen Liturgie, in: Gratias agamus. Studien zum eucharistischen Hochgebet (FS B. Fischer), hrsg. von Andreas Heinz und Heinrich Rennings, Freiburg i.Br. 1992, 503­505.

4 A. Franquesa, Die Beteiligung des Volkes in der mozarabischen Liturgie, in: Liturgie und Leben 5 (1938) 24f.

5 Ebd. 244.

6 Gebetstexte aus der Taufliturgie und verschiedene Messen der Osterzeit und für Muttergottesfeste werden ihm zugeschrieben. Das Chorgebet an Sonn- und Festtagen ist durch Texte von Ildefons vertreten. Auch hat er Gebete direkt an Maria verfasst, die zu den frühesten im Abendland gehören. Der Mariologe Ildefons hat seinen Einfluss auch auf der 10. Synode von Toledo (656) ausgeübt, an welcher das Fest der hl. Maria (18. Dezember) eingeführt wurde. Für dieses älteste Marienfest hat er die Messe und viele Orationen geschrieben, die im Offizium zu Ehren Marias gebetet werden.

Thaler A. Die altspanische Liturgie // Schweizerische Kirchenzeitung. 1997. № 5.

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